Stöbern bei Fanny Mendelssohn- Hensel

…Doch, doch, ich habe richtig geschrieben…

Ich meine jetzt nicht den berühmten Bruder Felix, sondern seine weniger berühmte Schwester Fanny.

Obwohl sie doch auch, wie ihr Bruder, über immense musikalische Fähigkeiten verfügte. Das jedenfalls belegen die vielfältigen Zeugnisse ihrer Zeitgenossen.

Nur, leider, war sie weiblich.

Das bedeutete in der traditionell denkenden jüdischen Bankiersfamilie: keine Öffentlichkeit, weder als Pianistin in Konzerten noch als Komponistin, die nicht publizieren durfte. Ihre Rolle war es, eine gute Ehefrau und Mutter zu werden, und sie fügte sich auch weitgehend, wenn auch nicht ohne innere Widerstände.

Immerhin initiierte Vater Abraham Mendelssohn die sogenannten „Sonntagsmusiken“ in den großzügigen Privaträumen, zu denen nach und nach sich immer mehr nicht nur die musikalische Elite traf wie etwa Paganini oder Liszt, sondern auch aus der Wissenschaft, wie Alexander v. Humboldt oder Dichter wie Brentano. Hier konnten sich beide Kinder mit ihrem Können produzieren. Was aber doch vor allem für Felix galt.

Und Fanny?

Die überraschte zum Beispiel Papa Abraham zu seinem Geburtstag mit dem Vortrag von Bachs ‚Wohltemperiertem Klavier‘, was bedeutete: zweimal 24 Präludien und Fugen- auswendig! Das muss man erst einmal nachmachen! Fanny war damals gerade dreizehn Jahre alt und versetzte alle damit in Erstaunen. Was ihr aber bezüglich ihrer Frauenrolle auch nicht weiterhalf…

Und sie komponierte. Trotzdem.

Vor allem kleine Charakterstücke für Klavier, viele Lieder für Gesangsstimme und Klavier, eine Handvoll Kammermusikstücke, großangelegte geistliche Kantaten mit Chor und Orchester…

Da geht mein Stöbern los.

Und ich staune…

Ihre Lieder… Wie tiefempfunden die Worte in Musik gesetzt sind- und doch so natürlich…

Ein Blick in die Partitur zeigt, wie angstfrei sie von Tonart zu Tonart moduliert; streckenweise weiß man gar nicht, wo man sich gerade befindet…Ein bisschen zu viel, kritisiert Bruder Felix im Hinblick auf ihr Streichquartett Es-Dur, das auch noch ständig zwischen Dur und Moll schwankt…

Apropos Partitur…

Auf der Online-Plattform, wo man sich „gemeinfreie“ Partituren herunterladen kann, herrscht bei Fanny gähnende Leere. Eigentlich findet man nur die Werke, die sie schließlich doch selbst publizieren durfte (dafür erteilte Felix ihr den „Handwerkssegen“), einige allerdings versteckt in dessen Oeuvre, die er unter seinem Namen herausgegeben hatte- damit sie überhaupt an die Öffentlichkeit gelangten.Und von den drei größeren Kammermusikwerken, dem o.g. Streichquartett, dem späten Klaviertrio und einem frühen Klavierquartett wurde nur das Trio kurz nach ihrem Tod publiziert.  Von den „Gartenliedern“ für gemischten Chor abgesehen findet man auch keines ihrer großen Vokalwerke, den „Lobgesang“ nicht, auch nicht die „Hiobskantate“ und auch nicht das  Oratorium nach „Bildern der Bibel“. Für Letzteres muss sie zumindest gehofft haben, es in der Berliner Singakademie aufführen zu lassen unter Carl Friedrich Zelter, dessen Schülerin sie war. Umsonst.

Fanny durfte also nur begrenzten Zuspruch für ihre Werke erwarten, und so komponierte sie hauptsächlich für sich und ihre Familie.

Weil es sie drängte, zu komponieren, besonders wenn große Ereignisse ihr Leben streiften.

So entstand der „Lobgesang“ aus ihrer Freude über die Geburt ihres einzigen Sohnes Sebastian heraus, und zum Geburtstag ihres verständnisvollen Mannes, dem Kunstmaler Wilhelm Hensel, seltsamerweise die ‚Hiobskantate‘ – Unbeschwertheit war nicht angesagt, da gerade  die Cholera in Berlin wütete. Aus Trauer über die vielen Toten, auch aus ihrem persönlichen Umwelt, schrieb sie das „Oratorium nach Bildern der Bibel“. Hört man diese Werke, fragt man sich erstaunt, warum man sie nicht viel früher schon einmal gehört hat, so schön sind sie, so beziehungsreich zu dem Text ist die Musik geschrieben… Streckenweise glaubt man, die Musik von Bruder Felix zu hören, so ähnlich klingen die Art der Instrumentation, einige Phrasen und Wendungen… Nicht, dass sie bei ihm abgeguckt hätte; dazu war sie souverän genug. Doch verband die beiden zeitlebens ein so tiefes seelisches Band, dass sie sich manchmal selbst über gewisse Ähnlichkeiten in ihren Werken wunderten…Und dann wieder klingt alles so neu, so- ja, so fannymäßig… Auffallend in diesen Werken ist auch, wie sehr sie sich an Bach orientiert, ja sogar zitiert bzw. eine ähnliche Musik schreibt- wie z.B. die Hirtenpastorale aus der zweiten Kantate seines Weihnachtsoratoriums in ihrem „Lobgesang“ Auch die polyphonen Abschnitte zeigen ihre Affinität zu ihm…

Übrigens kritisierte Felix das letzte der drei großen Chorwerke, die ‚Cholerakantate‘, heftig. Sie habe die Worte nicht sorgfältig genug ausgesucht, befand er; diese taugten überhaupt nicht in Musik gesetzt zu werden…

Überhaupt beurteilten sie sich ständig gegenseitig- ehrlich, sorgfältig und kompromisslos. Fanny erteilte ihm ebenso Ratschläge wie er ihr- mit einem großen Unterschied. Er dachte nämlich ebenso wie sein Vater, dass es sich nicht für Frauen schicke, zu komponieren. Und überhaupt- großangelegte Werke konnten sie ohnehin nicht schreiben, dazu fehle es ihnen an Erfindungsreichtum und Ausdauer. Und doch gab es kaum ein Werk, das er ihr nicht zur Ansicht vorlegte. Ihr Urteil war überhaupt das Wichtigste für ihn.

Zeitweise glaubte auch Fanny, dass ihr, als Frau, Einiges fehle, Großes schaffen zu können. Vielleicht sind auch deshalb ein Großteil ihrer Werke Miniaturen: Lieder mit Singstimme und Klavier sowie ihre selbst so genannten „Klavierlieder“.

Wer von Beiden erfand übrigens die „Gattung“ „Lieder ohne Worte“, für die Felix so berühmt wurde? Er oder sie?

Womöglich sogar sie, wie aus einem ihrer Briefe hervorgeht…

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle aber auch den großartigen Klavierzyklus ‚Das Jahr‘, den sie nach ihrer einjährigen Italienreise mit Mann und Kind in Wehmut an diese für sie glückliche Zeit geschrieben hat. Er besteht aus zwölf Episoden, eben den Monaten des Jahres; eine äußerst komplexe und zum Teil hochvirtuose Musik, die zeigt, welch‘ eine excellente Pianistin Fanny gewesen sein muss… In Italien wurde sie nicht nur als Pianistinwahrgenommen , sondern auch als Komponistin. Gounod, der gerade in Italien als ‚Prix du Rome- Preisträger weilte, verehrte sie geradezu…

Noch existieren wenige Aufnahmen; am ehesten Klavierstücke, das d-Moll-Trio, Lieder… Und noch immer ist längst nicht alles publiziert; Etliches erst ab den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Noch immer finden ihre Werke auf den Konzertpodien dieser Welt wenig Beachtung…

Und noch immer sind es ‚Nischenkonzerte‘ von Frauen, die sich ihrer Werke annehmen, doch das Interesse an dieser hochbegabten Frau wächst…

In diesem Zusammenhang finde ich es toll, dass Peter Härtling ihr in seinem Biografieroman ‚Liebste Fenchel‘ ein Denkmal gesetzt hat…

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Schumanns ‚Rheinische‘

Robert Schumann beschäftigt mich momentan sehr. Seine Musik, sein Schicksal, insbesondere seine letzten zwei Jahre in der Endenicher Heilanstalt, seine Liebe zu Clara, seiner- zumindest auf dem Klavier- kongenialen Frau.
Und wenn ich dann noch seine Musik höre…
Als er seine ‚Rheinische‘ komponierte- die Dritte seiner vier Symphonien und dennoch seine Letzte- lebte er als Musikdirektor mit Clara und seinen sechs Kindern in Düsseldorf.
Noch geht es ihm leidlich, noch halten sich die Probleme mit „seinem“ Orchester in Grenzen, doch die Vorboten seiner Krankheit werfen ihre bedrohlichen Schatten voraus.
Willkommene Pausen sind zwei erfolgreiche Konzertreisen in die Niederlande, eine Rheinfahrt bis in die Schweiz mit Clara ganz allein, die ihn seine gesundheitlichen Probleme einschließlich seines Rheumas vergessen lassen…
Und- ganz oben auf der Liste- sein Komponieren.
Mit Clara besuchte er zweimal Köln, und er war derart vom Kölner Dom beeindruckt, dass er unmittelbar darauf eine neue Symphonie begann…Sie spiegelt nicht nur die Erhabenheit dieses Bauwerkes wieder- allerdings noch ein Dom ohne Türme- sondern insgesamt das rheinische Leben, die Frohnatur der Menschen dort, ihre Feste, ihr Patriotismus, ihre Bodenständigkeit…
Was für ein Kontrast zu dem, wie Schumann zumindest Chor und Orchester ihm gegenüber erlebt, diese vielgesichtige Bestie, die sich gegen ihn stellt, seine zunehmenden Schwächen ausnutzt, belacht, ihn schließlich boykottiert…
Doch das ist ein schleichender Prozess.
Wie nur kann es angehen, dass die Musiker, die als Erste seine großartigen Werke spielen durften, ihn derart bekämpften?
Zum Einen: die Musik war ihnen zu schwer, zu wenig nachvollziehbar in ihren beständigen Wechseln zwischen Extremen, zu komplex in ihren vielschichtigen Strukturen, um sie auch nur ansatzweise verstehen zu können.
Zum Anderen das Dirigat Schumanns selbst. Nicht nur, dass man seine Anweisungen akustisch nicht verstehen konnte; Schumann nuschelte, sprach sehr leise und hielt oftmals dabei auch noch sein Taschentuch vor den Mund. Zudem war er stark kurzsichtig, sein Lorgnon zu benutzen war ihm hinderlich. Und er litt unter Schwindelanfällen, die seine Wahrnehmungsfähigkeiten zusätzlich einschränkten. So war sein Dirigat gekennzeichnet von Temposchwankungen, so dass sich Clara zunehmend bemüßigt fühlte, taktschlagend ihrem Robert beizustehen, ein Umstand, den die Musiker als lächerlich empfanden. Es kam schließlich, wie es kommen musste: Schumann wurde der Dienst quittiert. Doch da war er bereits ein sehr kranker Mann…
Mit alledem hat die ‚Rheinische‘ jedenfalls nichts zu tun. Schon allein wie sie anfängt:  nicht mit einer langsamen Einleitung wie in den vorausgegangenen Symphonien, die sich nach Schubertschem Vorbild in  den eigentlichen Hauptsatz steigerten…Nein, dieses Mal fällt er gleich mit der Tür ins Haus, präsentiert sofort das vorwärts drängende signalartige Hauptthema, aufsteigend und mit hüpfender Punktierung, mit vollem Orchester, aus dem sich erst einzelne Stimmen lösen, ein Motiv aufgreifen, zur nächsten Entladung vorbereiten… oder es lyrisch umwandeln… Das alles strahlt pure Lebenslust aus und Optimismus, den Schumann schon längst nicht mehr besaß…
An zweiter Stelle steht ein Scherzo. Hier geht es nicht ruppig und derb, aber beschwingt und fröhlich, eher volkstümlich zu. Und doch ist der Satz sehr kunstvoll angelegt, was man zunächst nicht wahrnimmt. Da treten zu dem wiegenden Hauptthema mit punktiertem Hüpfer neue Motive auf, die ausgeweitet werden zu einem neuen Thema, gesellt sich als neue „Schicht“ sozusagen zu Ersterem, eine kontrapunktische Meisterleistung. Da winkt Meister Bach aus der Ferne… vier Hörner betonen in einer Episode den volkstümlichen Charakter, und auch hier geistern Motive aus den vorangegangen Themen. Das alles geschieht in mannigfachen Kombinationen, und doch verliert dieser Satz nie an Leichtigkeit…
Eine einfache, gesangliche Melodie leitet den dritten Satz ein, vorgeführt von Fagott und Klarinette, das bald von einer zweiten, gütig und tröstlich klingenden abgelöst wird. Beide erfahren unterschiedlichste Schattierungen durch differenzierte Instrumentationskombinationen, werden einzelne Motive abgelöst und sozusagen neu gemischt, entstehen Gebäude aus übereinandergeschichteten Themenkomplexen, die sich wieder im Hauptthema zusammenfügen. Das Ganze atmet liebliche Natur, wie sie sich im Sommer am ruhig dahinströmenden Rhein präsentiert…
Feierlich geht es zu in dem 4. Satz: eine Choralmelodie der Posaunen entführt in die weite, majestätische Halle des Kölner Doms, den Einzug der Priester malend…Die Streicherstimmen entfalten einen weitschwingenden melodischen Bogen, unterbrochen von einem bedrohlich wirkenden Sechzehntel- Motiv, das in ganz anderer Atmosphäre bereits in den Sätzen zuvor erklang. Fanfarenartige Einschübe der Blechbläser unterstreichen die feierliche Stimmung einmal mehr; in fahlem Moll und Paukenschlägen verklingt dieser kurze Satz, den man auch als Einleitung um das nun folgende fröhliche Finale sehen könnte. Die Stimmung hier suggeriert nach der vorherigen weihevollen Stimmung „befreite“ Kirchenbesucher vor dem Domportal, um sich fröhlich auszutauschen…Schumann bietet noch einmal seine ganze Kunst auf, greift musikalische Gedanken aus den vorherigen Sätzen auf, verbindet und verschränkt sie neu, taucht in kontrapunktische Verflechtungen ein und rundet auf die Weise seine Symphonie ab.
Wow, ein großer Wurf! Weltliteratur!
Kaum zu glauben, dass derselbe Komponist, hochsensibel, wie er von Beginn an war, an der Welt und sich massiv leidend, schließlich in arge geistige Bedrängnis geriet und schließlich in die Heilanstalt nach Endenich bei Bonn  kam, um dort zwei Jahre später, kaum noch etwas von sich wissend, zu sterben…


 
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Peter Härtling: Schumanns Schatten

Kürzlich hat meine Freundin Ule auf ihrem Blog ein Lesetagebuch veröffentlicht. Und da ich gerade mit meinem Literaturkreis dieses Buch lese, kann ich nicht umhin, auch hierüber zu schreiben…
Gleich vorweg muss ich feststellen: es macht mir einen Riesenspaß, mit diesem Buch die Lesekreis- Stunden vorzubereiten.
Natürlich, und das habe ich in meinen Artikeln immer betont, liebe ich die Musik, ganz besonders auch die Musik Robert Schumanns. Und ich liebe es, gute Bücher zu lesen. Sachbücher vor allem, aber auch gute Romane. Romanen über Musiker stehe ich allgemein skeptisch gegenüber, wenn es sich nicht gerade um Mörikes Mozart-Novelle „Mozarts Reise nach Prag“ handelt. Zumeist sind sie irgendwie betulich, im besten Fall romantisierend (ah, da steckt das Wort „Roman“ ja schon drin!), und nicht besonders biografienah gehalten, bedienen zudem noch allzuoft irgendwelche Klischees.
Ganz anders hingegen Peter Härtlings Musikerbiographie-Romane. Ja, sie dürfen sich wirklich so nennen, so nah bewegt sich dieser Autor an überlieferten Fakten. Drei hat er geschrieben: über Franz Schubert, über die Schwester Felix Mendelssohn- Bartholdys („Liebste Fenchel“ )- und eben über Robert Schumann.
Und auf welche Weise!
Da gerät selbst der Roman zur komponierten Musik, nicht in Tönen, doch in Worten. Jedes zweite Kapitel trägt den Titel eines von Schumann komponierten Stücks, passend zum jeweiligen Lebensabschnitt („Kinderszenen“, „Davidsbündlertänze“, Noveletten und Vier Intermezzi“, „Aufschwung“… und so fort, bis auf eine Ausnahme: die „Hottentottiana“ bezeichnet Schumanns Tagebuch während seiner Studienjahre. Und im Untertitel, wie in der Musik, Tempoangaben, worauf sich Härtling wieder auf Schumann bezieht, der zumeist nicht wie damals üblich italienische, sondern deutsche Vortragsbezeichnungen bevorzugte. („Nicht zu schnell“, „Lebhaft“, auch „etwas hahnbüchen“ kommt vor!)
Vieles, wie auch bei Schumann, dem Genie zwischen der Musik und der Literatur, ist doppelbödig gemeint. In meinen Vorbereitungsstunden grabe ich häufig sogar mehrere Schichten ab, höre die passende Musik dazu, lese in Schumanns Tagebüchern, in den erst seit einigen Jahren zugänglichen „Endenicher Krankenberichten“, herausgegeben von Bernhard Appelt, die auch Peter Härtling vorlagen. Schumann war krank, sehr krank, verbrachte seine letzten beiden Lebensjahre in der Endenicher Heilanstalt bei Bonn. Jedes zweite Kapitel, jeweils ohne Werk- und Vortragsbezeichnungen- erzählt von dieser Zeit. In knapper, neutraler, dennoch eindringlicher Form. Peter Härtling gestaltet es so, dass quasi der Leser Schumann beobachtet, wie er schreit, „greint“, unverständlich spricht, Klavier spielt, und alles  quasi durch die Brille des Wärters „Klingelfeld“ (der Name ist glaube ich fiktiv; in den Krankenberichten lese ich andere Namen), dessen Gefühle hier und da beschrieben werden… Die Not Schumanns kann man sich höchstens denken…
Möchte so Härtling zum Ausdruck bringen, wie sehr Schumann bereits Schatten seiner selbst geworden ist? „Schumanns Schatten“, der Titel auch wieder doppelbödig… , über einen Komponisten, der sich gerne aufteilte, in „Florestan den Wilden“ und „Eusebius den Milden“…, der zeitweise in seiner Krankheit mit einem unsichtbaren „Doppelgänger“ spricht…
Man wird nicht so schnell fertig mit diesem Buch und mit Schumanns Schicksal. Peter Härtling ist es gelungen, mit seinem Künstlerroman (ohne zu „romantisieren“) ein dichtes Kunstwerk zu erschaffen, in dem das Erzählte zugleich auch Form annimmt wie zum Beispiel in dem Kapitel über Claras Vater Wiecks  Wutausbruch gegenüber Schumann: alles, über mehrere Seiten hinweg, in einem Satz dargestellt, man spürt da geradezu die überkochenden Gefühle, spürt die Beleidigungen Wiecks an sich selbst, wie sie hämmernd daherkommen, kriegt beim Lesen geradezu keine Luft mehr…
Und wie eindringlich, wie gehämmert in kurzen Sätzen, Schicksalsschläge auf Schumann einstürzen: „Die Mutter stirbt“. Oder wie Härtling Wahrnehmungen, die sich auf Schumann beziehen sollen, so formuliert: „Die Stadt verwandelt sich“ Etc.etc. Was für Kunstgriffe!
An Stellen, wo Peter Härtling fiktiv wird, werden muss, weil Überlieferungen fehlen, bezieht er sich und den Leser mit ein, etwa: „ich stelle mir vor, wie…“ oder „Wo lasse ich sie dieses Gespräch führen?“ Die Fakten, die Härtling beschreibt, halten genaueren Recherchen stand, nur manchmal frage ich mich, welche „Fantasie“ soll denn gemeint sein, die Schumann da in Heidelberg spielt? Zu der Zeit hatte er die mir bekannte „Fantasie op. 17“ noch gar nicht geschrieben… Das sind jedoch Ausnahmen. Zur Untermauerung lässt Härtling auch immer wieder Schumann und auch andere selbst zu Wort kommen in Form von Tagebuch- und Briefzitaten, Rezensionen etc., was einen Eindruck von Authentizität vermittelt und sich erstaunlicherweise  (finde ich) gut in Härtlings Schreibstil einfügt- trotz der großen zeitlichen Distanz, in der jeweils die Texte entstanden sind…
Ich erlebe im Literaturkreis, je stärker wir in das Thema eintauchen, desto interessierter sind die Teilnehmer- obwohl es beileibe kein leichter Stoff ist: das stark an Schumann angelehnte Buch, dessen komplizierter zwiespältiger Charakter, seine gerade aus den in den jungen Jahren stammenden widersprüchlich-zerrissenen Werken… und nicht zuletzt, wie Härtling mit seinem Roman der Person Schumann gerecht werden will… Ein Projekt zwischen Literatur und Musik, genau wie ihr Protagonist: ein Genie in seiner Doppelbegabung, der sich lange nicht entscheiden konnte, Dichter oder Musiker zu werden…
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Mendelssohns ‚Elias‘

Die Musik Mendelssohns hat einen ganz bestimmten „Tonfall“, der mich sehr anspricht. Wer in seine Musik einsteigen und auch  gleich den für ihn typischen Sound erleben möchte, dem sei eines seiner frühen Doppelkonzerte für zwei Klaviere an’s Herz gelegt. Die schrieb er, um bei einem der von der Familie Mendelssohns veranstalteten ‚Sonntagskonzerte‘ mit seiner gleichfalls hochbegabten Schwester Fanny zu brillieren… Ich sehe die beiden geradezu vor mir, wie sie dort, im Gartenhaus der hochangesehen  Bankiersfamilie, mit leichter Hand den höchst virtuosen Klavierpart meistern, sich dabei gegenseitig anlachend, unsichtbare Scherze tauschend…Ja, die Beiden waren sich nahe wie sonst kaum ein Geschwisterpaar. Aber das ist eine andere Geschichte…

Das Oratorium ‚Elias‘ schuf er schon als ‚reifer‘ und längst etablierter Komponist, sofern man seine Geniestreiche seiner Jugend (Ouvertüre zum Sommernachtstraum, das Oktett) nicht als solche anerkennen will. Denn wie früh war er schon ‚reif‘, so dass kein Geringerer als Goethe einen Narren an dem mit seinen Raffaelslocken auch noch engelhaft erscheinenden Knaben gefressen hatte. Aber auch das ist wieder eine andere Geschichte.

Also wieder zurück zum ‚Elias‘, der bereits das zweite Oratorium nach dem neutestamentarischen ‚Paulus‘ war, das Mendelssohn schuf. Bemerkenswert ist die Reihenfolge: der bereits als Kind zum evangelischen Glauben konvertierte Jude schrieb mit aller musikalischen Inbrunst als Erstes nach dem Neuen Testament, anschließend ließ er den alttestamentarischen Propheten ‚Elias‘ in eindringlichen Tönen wieder auferstehen…

Beim Hören steckt man sofort mittendrin im Geschehen: wie das Volk immer erst durch besondere Zeichen und Wunder davon abgehalten werden muss, seine heidnischen Götter anzubeten und den Glauben an dem ‚einzig wahren Gott‘ wieder anzunehmen… Wie Elias daran verzweifelt und innerlich  zerbricht, in der Arie „Es ist genug…“So nimm denn meine Seele“ in Form absteigender Tonketten mit dem eindringlichen Cello-Solo, das seine Einsamkeit symbolisieren soll…“Ich habe geeifert und gekämpft…um den Herrn!“ Hier erlebt man in der seltsam abgehackten Musik die Wut, den Zorn Elias‘ über sein ständig vergebliches Bemühen um den Glauben seines Volkes, das sich bei jeder erstbesten Gelegenheit wieder von ihm abwendet, ja ihm schließlich auch den Tod bringen will. Doch Elias, der Prophet, wird, nachdem er den eigentlich unsichtbaren Gott mit eigenen Augen sehen durfte, von einem Berg aus direkt in den Himmel aufgenommen…

Als besonders spannungsgeladen empfinde ich die Stelle, in der jeweils zuerst das dürregeplagte Volk seine Götter und im Anschluss Elias seinen einzigen Gott um Hilfe anrufen soll… Wie das Volk immer und immer wieder um Regen bittet, wie eindringlich sich die Musik steigert, um geradezu in’s Leere zu fallen, die abgründige Stille in den langen Orchesterpausen, unterbrochen durch Elias‘ höhnische Rufe  „Lauter!“ Und wie schließlich Elias seinen Gott anruft, das setzt Mendelssoh dramaturgisch- musikalisch gekonntest in Szene: der ‚Elias‘ ist sozusagen seine Oper (von einigen Jugend-Singspielen einmal abgesehen) . Auch Elias muss dreimal beten, zweimal warten, zitternd hängt jedes Mal die Musik geradezu in der Luft, und ein Knabe, beauftragt,  auf einen Berg zu steigen und nach einer Wolke Ausschau zu halten, dabei ausrufend: „Ich sehe- nichts!“ Elias bittet eindringlicher, verweist ausführlich auf sein darbendes Volk- und da, während die Musik aufbraust, ruft der Knabe in himmlisch hohen Tönen freudig aus: „Ich sehe- eine weiße  Wolke…“ , und der segensreiche Regen fällt, das bekehrte Volk jubelt  in grandiosen Chören, und man selbst als Zuhörer atmet befreit auf.

Der ‚Elias‘ wurde mit überwältigendem Erfolg in Birmingham uraufgeführt, und die Briten sehen stolz dieses Werk neben Händels ‚Messias‘ als ihr nationales Eigentum an…

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Musikalischer Herbstspaziergang

hebstwald

Unter meinen Füßen knistert das Laub, das zentimeterdick den Waldweg bedeckt. Noch hat das sterbende Jahr einige Blätter an den Bäumen gelassen, doch dass auch sie zu Boden fallen und mit Füßen (oder Hufen oder Tatzen oder Pfoten oder Vogelbeinchen) getreten werden, ist so sicher wie das Absterben der letzten Rosen. Dazu ist der Himmel grau, nur selten wagt sich eine blinzelnde Sonne durch das fast undurchdringliche Wolkenmeer. Dass es einmal einen Frühling geben wird, davon ist momentan nicht eine Spur Ahnung vorhanden. Und doch, man weiß es ja… (Fast) alles in der Natur stirbt, um wieder geboren zu werden…

Was hilft es, wenn man es nicht spürt?

Schnell bricht die Dämmerung herein, obwohl es noch Nachmittag ist, und ich beeile mich, bevor ich vielleicht nicht mehr den Waldweg erkennen kann…

Kein Wunder, dass gerade in diesem Monat der Toten in besonderem Maße gedacht wird. Der Religiöse glaubt, dass hinter dem Tod das „Ewige Leben¨ steht. Tod und Auferstehung… Ich persönlich halte mich an die Musik, an die Requiemvertonungen der großen Meister durch viele Jahrhunderte hindurch. Seit es das um die Hälfte des 16. Jahrhunderts eingeführte Requiem als liturgische katholische Totenmesse gibt, haben Komponisten begonnen, diese in Töne zu setzen, zunächst in Form gregorianischer Choräle, um sie dann, ganz im Stil ihrer Epoche, nach allen Regeln der Kunst anzupassen. Und ich gehe nun in diesem herbstlichen Requiemwald mit seinem etwas modrigen Geruch, der Trauer und dem Zorn des Jüngsten Gerichtes ausgeliefert, doch mit der Aussicht auf den Frühling und das „Ewige Leben¨ spazieren…

Jan Dismas Zelenka, einer der vielen im Schatten des großen Joh.Seb.Bachs (der als überzeugter Protestant kein Requiem schrieb) und Händels stand, doch immerhin den begehrten Posten am Dresdner Hof innehatte, schrieb ein wahrhaft pompöses Requiem mit Pauken und Trompeten. Das war der Trauerfeier „August des Starken¨ geschuldet, eìne barockprächtige Trauerfeier eben… Bei Luigi Cherubini verweilte ich gleich zweimal; so oft vertonte er das Requiem… Das in d-Moll nur mit Männerstimmen und Orchester, und das ebenfalls sehr ernst gehaltene in c-Moll, dieses Mal mit Damenstimmen inklusive, doch im „Introitus¨ nur mit tiefen Instrumenten…Dieser Komponist, langjähriger Leiter des Pariser Konservatoriums, in Sachen Opernmusik bereits auf dem absteigenden Ast, da zu ¨rückständig¨ gehalten- dieser Komponist brachte als Erster dem Chor das ¨Flüstern¨ bei, ein bis dahin unerhörter kompositorischer Effekt…

Joseph Haydn schrieb kein Requiem, mhm, aber Mozart…, natürlich, das weiß fast jeder. Der über seinem eigenen Requiem verstarb… Über diesen Umstand ranken sich zahllose Variationen,z.B. wie ihm mitten beim Komponieren der Federkiel aus der Hand fiel… Oder beim Diktieren seine Stimme brach… Eigentlich war das Requiem ein Auftragswerk durch einen Grafen, der es als sein Eigenes ausgeben wollte und daher sehr geheimnisvoll über einen graugekleideten Boten Mozart kontaktierte. Dieser zeigte sich sehr erschreckt, in böser Ahnung, als ein Fingerzeig, dass es an der Zeit sei, für sich ein Requiem zu schreiben. Das zudem noch  unvollendet blieb und u.a. durch seinen Schüler Süßmayr vervollständigt wurde…In jedem Fall ein wunderbares, abgeklärtes Werk wie aus einer anderen Welt…

Mit seiner ¨Gran Messe des Morts“ sprengt Hector Berlioz alle Grenzen. Entsprechend seiner Vorstellung, dies müsse ein Werk von nie gewesenem Ausmaß sein, verwendet er neben dem reich besetzten Hauptorchester noch vier Blechorchester, die als Fernorchester in je vier Himmelsrichtungen platziert werden, und einem monumentalen Chor mit Hunderten von Stimmen (Soprane z.B. mind. 210 Stimmen…)Entsprechend wuchtig und zornig fällt besonders das „Dies Irae“ aus, aber auch die anderen Sätze lassen in ihrer jeweiligen Wirkung nichts zu wünschen übrig, so dass nach Berlioz‘ Schilderung über die Uraufführung der Pfarrer am Altar weinte…Das Publikum war schier überwältigt…

Ich laufe lieber gleich zu Brahms, seinem Deutschen Requiem, für das er selbst Bibeltexte zusammenstellte, ein Werk des noch jungen Komponisten, aber so eindringlich z.B. mit den Worten ¨Herr, lehre mich, dass es ein Ende mit mir haben muss…¨ , doch bricht sich auch hier vor allem die Hoffnung und besonders der Trost für die Lebenden ihre Bahn. …Sein Zeitgenosse Dvoràk wiederum schrieb das lateinische Requiem, ohne in sein böhmisches Kolorit zu verfallen, dafür durchaus dramatisch, zwischendurch hoffnungsfroh, ebenso wie später Verdi, der nicht ganz ohne opernartige Züge auskommt. Ein Requiem eher für den Konzertsaal…

Ganz unmittelbar wirkt der Beitrag des zeitgenössischen Ligeti auf mich, mit einer Musik, die, befreit von tonalen Zwängen, zu vielfältigsten musikalischen Mitteln gelangt : mit lang anhaltenden Clustern, besonders weltentrückt wirkend in den hohen Registern, und durch die überbordend vielschichtigen Mehrstimmigkeiten baut sich eine enorme Spannung und Eindringlichkeit auf, die diesem liturgischen Text besonders angemessen erscheint.

Langsam kehre ich in unsere Zeit hinein, in das Hier und Jetzt…Die Blätter rascheln, doch bald schon werden sich neue Knopsen bilden…

Die längst schon angelegt sind, guckt mal!

Doch erst zünde ich Kerzen an…Auf in den Advent!

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Im Traum

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Im Traum
Schrecken der Nacht
zeigen sich Geister der Vergangenheit
Symbole
als Spiegel meiner Seele

Im Traum
kann ich entfliehen
der Wirklichkeit

Tagtraum
werde ich gewahr
geheimste Regungen meiner Seele
Sehnsucht und Verlangen

Im Traum
kann sich erfüllen
was ich will

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Stille

Ruhig atmen
Wohlgefühl
Geborgenheit

weckt
Gedanken Ängste Sehnsucht
Einsamkeit
weckt
die Sinne neu
innere Musik
Fantasiewelten
erwacht

Kreativität

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Erwartung

ängstlich
sehe ich es kommen
befürchte Schlimmes
sehe schwarz
würgende Furchtsamkeit

bewahre Haltung
stoppe
kreisende Gedanken
lenke sie
zielgerichtet

auf die Vorbereitung
wecke

Vorstellungen Imaginationen
Vorfreude

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Jupiter Symphonie

 

Wolfgang Amadeus Mozart war es, der die  Jupiter Symphonie schrieb; das ist allgemein bekannt. Doch wie dieses Werk zu seinem Namen kam- diese Tatsache eher nicht. Jedenfalls nicht von Mozart selbst, der sie zusammen mit den beiden anderen Werken dieser grandiosen Trilogie  vermutlich nie gespielt gehört hatte, sie ohne konkreten Auftrag schrieb, quasi für die Schublade… Vielleicht für eine seiner ‚Akademien‘, wie zu der Zeit Abonnementskonzerte hießen, doch dazu ist es wohl nie gekommen. Allerdings musste sie längst nicht so lange auf ihre Verwirklichung warten wie beispielsweise Schuberts Große C-Dur- Symphonie, die erst Schumann entdeckte bzw. sich das Manuskript von dessen Bruder Ferdinand aushändigen ließ…Aber das ist wieder eine andere Geschichte…Ein gewisser Herr Salomon aus London, Konzertmanager in großem Stil, der auch mit Haydn arbeitete, soll diesem Werk den Namen ‚Jupiter‘ verliehen haben. Einerseits aus durchaus werbewirksamen  Erwägungen,  aber auch, um mit diesem Namen der außerordentlichen Vollkommenheit und Größe dieser Symphonie Ausdruck zu verleihen. Ob die Londoner Aufführung gleichzeitig auch die Uraufführung war, lässt sich nicht mehr herausfinden…

Die Jupiter-Sinfonie… Wie grandios dieser Name schon klingt. Jupiter, Gott römischer Religion, und Jupiter, der größte Planet im Sonnensystem…

In der Tat scheint man beim Hören auch auf einem anderen Planeten zu sein, so vollkommen, so rein, so klar klingt sie…

Dabei fängt sie durchaus burschikos an. Jedenfalls sehr selbstbewusst. Damm…dülllerramm- darram…Da stehe ich….kerzengerade…Aber dann zaghaft. ¨Bin ich …es wirk-lich?..Was sogleich von dem ganzen Orchester fröhlich und mit großem Glanz bejaht wird: die Jupiter-Sinfonie nimmt ihren Lauf…Das zweite Thema gibt sich, wie in der klassischen Sonate bzw. Sinfonie als Gegenpol, zarter, tastender, sogar eine Spur tänzerisch, doch immer leichtfüßig…Dazu tragen auch die Holzbläser bei, die einerseits dank Mozarts meisterlicher Instrumentation immer neue Klangfarben hervorzaubern, aber auch die Thematik jeweils charakterisieren… Z:B. Wird häufig das Fagott mit den melodieführenden ersten Violinen geführt…Dramatische Momente bietet die sogenannte Durchführung quasi in der Mitte des Stückes, in der das thematische Material kräftig miteinander durchgerüttelt, in entlegenste Tonarten gebracht, verschmolzen, geknetet wird…Und die bei Mozart ob seiner Meisterschaft- die auch von Nichtmusikkennern intuitiv erfasst wird (und darin liegt Mozarts größte Meisterschaft) – einfach göttlich klingt…Wie gut jedoch, dass nach diesen ‚Wirren‘ die sogenannte ‚Reprise‘ kommt, die Wiederholung des ersten Teils mit seinen beiden Themen in Reinform, doch mit einer Coda beschlossen, wie es die große Dimension dieses ersten Satzes erfordert…

Das Formprinzip der klassischen Symphonie  trägt schon allgemein wesentlich zur großen Spannung im sogenannten Hauptsatz bei. Da gibt es mindestens zwei Themenbereiche, wie sie möglichst unterschiedlicher nicht sein könnten, wobei letzteres auch noch auf der 5. Stufe, der Dominante, die immer zur Tonika, der Grundtonart, strebt, steht, und schon allein dadurch für Neugier und große Erwartung sorgt: wie geht es wohl weiter? Ziemlich turbulent zumeist, sozusagen die ‚Krise‘ dieses Stückes. Da werden die entlegensten Tonarten aufgesucht, Modulation reiht sich an Modulation, Themen werden in ihre Motive zersplittert, wieder neu zusammengefügt; atemlos folgt man diesem Geschehen. Und dann die ‚Reprise‘, die alles wieder an ihren rechten Platz rückt, mehr oder weniger den ersten Teil wiederholt und für ein Gefühl des Wohlbehagens sorgt…

Der zweite Satz in dieser Symphonie, langsam, durchaus ernst,  auch in dunkleren Tonschichten sich ergehend, die Streicher zumeist ‚con sordino‘, mit Dämpfer. Lange Melodiebögen durchziehen das Stück, ihre große Spannung erhalten sie durch immer neue dissonante Akkordblöcke, die erst langsam aufgelöst werden. Und auch das ist wieder typisch Mozart: spricht man bei ihm von Dissonanzen, so stellt man sogar bei sich selbst ein Erstaunen fest, so wenig bringt man ihn mit diesem Begriff in Verbindung. Denn diese werden auf so feine Weise und zuversichtlich aufgelöst, dass man sie im Verlauf geradezu vergisst…Man spürt, sie sollen nicht stören, sind aber für die Zeugung von Spannung unabdingbar wie das Salz in der Suppe. Oder sollte man lieber von Pfeffer sprechen?

Und stören die Mollpassagen in diesem Satz die Harmonie? Mitnichten, alles ist Wohlklang, doch dunkler, schmerzvoller. Aber nicht so unruhig bewegt wie in seiner Vorgänger-Sinfonie, der in g-Moll KV 550.

Nach einem fröhlichen, kräftigen Menuettsatz  mit dem anmutigen Trio dann der Finalsatz. Und was für einer! Beginnend mit dem Urmotiv schlechthin, häufiger in Mozarts Werken wiederzufinden…

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c-d-f-e  in festen ganzen Tönen : zwei aufeinanderfolgende Töne der C-Dur Tonleiter, der dritte, die Terz, fällt sozusagen von dem vorausgeschickten Halbtonschritt, dem f, herab, wodurch schon eine ganz eigene Spannung erzeugt wird. C-D-E-F…man kann es immer wieder singen…Dieses Motiv durchzieht den ganzen Satz, wird ergänzt, erweitert, durch die Instrumentengruppen geführt, mit vollem Orchester, Instrumentengruppen, Streicher, Bläser, jagen einander mit diesem Motiv es ist, als habe Mozart mit diesen vier Tönen noch einmal alles aufgeboten, was er als Komponist zu sagen hat. Und obwohl diese Sinfonie nicht sein letztes Werk ist, obwohl er so jung war, dass er mit seinem Tod noch nicht rechnen musste, empfindet man dieses Werk als sein Vermächtnis. Zumindest als Symphoniker. Es musste erst ein Beethoven kommen, um der Gattung ‚Symphonie‘ eine neue Wendung zu geben…

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Juist- Variation IV

In den Salzwiesen

Wandern…
Bill oder Kalfamer, das ist morgens immer die Frage. Bill, die Westseite, und Kalfamer, die Ostseite der Insel. Zu Letzterer komme ich natürlich über den ¨Seeweg¨ hin, nämlich barfuß am Brandungssaum entlang, bis ich am Flughafen ‚aufschlage‘ bzw. den immer anstrengenden Dünenaufgang benutze, um dorthin zu gelangen. Hier gibt es ein italienisches Restaurant, wo ich zu Mittag speise, um so gestärkt den Kalfamer-Rundweg zu starten: zunächst an der Umzäunung vorbei und dabei dem Starten und Landen der kleinmotorigen Flugzeuge beobachtend, dann aufmerksam am Wegesrand die aufgestellten naturkundlichen Schilder lesend und allmählich in die Salzwiesen gelangend…Doch halt! Hier geht es nicht weiter: Verbotsschilder sperren den großen Rundweg am Watt entlang zum Schutz der dort brütenden Seevögel…Also dem grünen Pfad folgend immer am Rand entlang…
Es gibt auch so viel zu sehen. Von den Pflanzen ganz zu schweigen, die hier in mannigfaltigen Farben blühen und die zu betrachten man nicht querfeldein rennen muss…Auf einem dieser windschiefen, geduckten Bäumchen hoch oben auf einer Düne erblicke ich einen- Uhu, genauer eine Sumpfohreule, die ich hier überhaupt nicht erwartet habe.

Sumpfohreule

…da fliegt sie davon

 

 

Erst später auf der Wanderung werde ich über sie informiert…Austernfischer haben es sich auf nahezu jedem Pfahl gemütlich gemacht; aus den Wiesen steigen Vogellaute unterschiedlichster Klangfarbe auf…Natürlich gibt es auch hier eine Aussichtsdüne für den Besucher und wo tatsächlich ein Fernrohr lockt, das noch nicht einmal nur auf Münzeinwurf ‚reagiert‘. Man kann mit ihrer Hilfe tatsächlich weit blicken, ertappt dabei unzählige brütende Vögel in den Wiesen, erkennt Kormorane weit hinten auf einer Sandbank- und , natürlich, Möwen, Möwen und nochmals Möwen. Ebenfalls Gänse…
Und auch wieder meine Eule, die über den Wiesen ihre majestätischen Kreise zieht. Doch jedes Mal, wenn ich sie mit der Kamera fokussieren möchte, ist sie schon längst wieder über alle (Dünen)-Berge…
Von hier aus sind es nur noch einige hundert Meter, bis ich wieder an den Strand gelange; ein Fußmarsch in halber Insellänge liegt nun vor mir, immer am Meer entlang…
Und der Sonne entgegen, die blutrot hinter dem Meer unterzugehen scheint und auch das Meer in ihr wunderbares purpurfarbenes Licht taucht, in dem sich die Wellen kräuseln…

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